1. Kapitel (5)
„Sind wir in Gefahr?“ fragte Madonna Dianora leise einen ihrer engsten Freunde.
Ihr Mann hörte es und antwortete: „Nur Mut, mein liebes Mädchen, vertrau mir, wie du mir immer vertraut hast. Ich würde dich gern an einen sicheren Ort schicken, aber du solltest lieber nicht auf den Straßen von Lucca unterwegs sein, deshalb mußt du mein Schicksal teilen, Dianora.“
„Habe ich das nicht schon immer getan?“ erwiderte seine Frau. Seine Freunde hatten sich in die Halle nebenan zurückgezogen und sie fuhr fort: „Kein Schicksal ist mir lieber, als mit dir zu leben oder mit dir zu sterben, Ruggieri. Aber können wir nicht unseren Sohn retten?“
Castruccio saß zu Füßen seiner Eltern und sah sie mit seinen sanften und doch funkelnden Augen an. Er schaute seine Mutter an, als sie sprach, jetzt wandte er sich eifrig seinem Vater zu und hörte dessen Antwort: „Wir wurden von der Piazza vertrieben und können nicht länger hoffen, unsere Feinde zu besiegen. Das gnädigste Schicksal, das wir erwarten dürfen, ist Beschlagnahmung unseres Besitzes und Verbannung. Wenn man uns zum Tode verurteilt, schützen uns nur noch die Mauern dieses Palastes vor dem Ende. Und Castruccio – wenn einer unserer Freunde ihn von hier wegbringen könnte, wäre ich doppelt so mutig – aber es ist ein zu großes Risiko.“
„Vater“, sagte der Junge, „ich bin nur ein Kind und kann nichts tun. Aber bitte schickt mich nicht weg, liebste Mutter, ich will euch nicht verlassen.“
Das Trommeln von Pferdehufen war auf den Straßen zu hören. Ruggieri sprang auf, einer seiner Freunde trat ein und sagte: „Das sind die Wachen, die sich zu den Toren der Stadt begeben. Die Volksversammlung ist zu Ende.“
„Und was wurde beschlossen?“
„Niemand wagt sich in die Nähe, um es herauszufinden, aber nur Mut, mein edler Herr.“
„Das sagt Ihr mir, Ricciardo? Aber es ist richtig, meine Frau und mein Kind machen ein Weib aus mir.“
„Die Glocken läuten zum Avemaria“, erwiderte sein Freund, „bald kommt die Nacht und wenn Ihr mir vertraut, bringe ich Madonna Dianora in ein Versteck.“
„Vielen Dank, mein guter Ricciardo“, antwortete die Dame, „aber am sichersten bin ich an Ruggieris Seite. Aber unser Junge – rettet ihn und der Dank einer Mutter ist Euch gewiß. Alle Schätze, die ich geben kann, sollen Euch gehören. Kennt Ihr Valperga?“
„Ja, das Schloß Valperga – ist die Gräfin jetzt dort?“
„Ja – und sie ist unsere Freundin. Wenn mein Castruccio nur schon in den sicheren Mauern dieser Festung wäre, wäre ich glücklich!“
Während Madonna Dianora mit Ricciardo sprach, beratschlagte Ruggieri mit seinen Freunden. Das Tageslicht war erloschen, die Nacht brachte Gefahr und noch mehr Angst. Ruggieris Freunde saßen im Bankettsaal seines Palastes und sprachen über ihr weiteres Vorgehen. Sie flüsterten, weil sie fürchteten, sonst nicht zu hören, was auf der Straße vor sich ging, und sie lauschten auf jeden Schritt, als bestimme er ihr künftiges Schicksal. Ricciardo gesellte sich zu ihnen und Madonna Dianora blieb mit ihrem Sohn allein. Sie schwiegen, Dianora weinte und hielt die Hand ihres Kindes. Er versuchte sie zu trösten und die Tapferkeit zu zeigen, die sein Vater immer so pries. Aber seine kleine Brust hob und senkte sich trotzdem, dann liefen ihm dicke Tränen über die Wangen und er warf sich seiner Mutter in die Arme und schluchzte laut. In diesem Augenblick klopfte jemand laut an das Tor des Palastes. Die versammelten Ghibellinen schreckten auf, zogen ihre Schwerter und eilten zur Treppe. Sie standen totenstill da und horchten auf die Antworten, die der Fremde dem Wächter gab.
Ruggieri umarmte seine Frau – zum letzten Mal, wie er fürchtete. Sie weinte nicht, ihre Gedanken galten nur einer Sache, der Sicherheit ihres Kindes. „Wenn du entkommst“, rief sie, „ist Valperga deine Zuflucht. Du kennst den Weg, der dorthin führt.“
Zunächst antwortete der Junge nicht, dann schlang er ihr die Arme um den Hals und flüsterte: „Du, liebe Mutter, sollst ihn mir zeigen.“
„Habe ich das nicht schon immer getan?“ erwiderte seine Frau. Seine Freunde hatten sich in die Halle nebenan zurückgezogen und sie fuhr fort: „Kein Schicksal ist mir lieber, als mit dir zu leben oder mit dir zu sterben, Ruggieri. Aber können wir nicht unseren Sohn retten?“
Castruccio saß zu Füßen seiner Eltern und sah sie mit seinen sanften und doch funkelnden Augen an. Er schaute seine Mutter an, als sie sprach, jetzt wandte er sich eifrig seinem Vater zu und hörte dessen Antwort: „Wir wurden von der Piazza vertrieben und können nicht länger hoffen, unsere Feinde zu besiegen. Das gnädigste Schicksal, das wir erwarten dürfen, ist Beschlagnahmung unseres Besitzes und Verbannung. Wenn man uns zum Tode verurteilt, schützen uns nur noch die Mauern dieses Palastes vor dem Ende. Und Castruccio – wenn einer unserer Freunde ihn von hier wegbringen könnte, wäre ich doppelt so mutig – aber es ist ein zu großes Risiko.“
„Vater“, sagte der Junge, „ich bin nur ein Kind und kann nichts tun. Aber bitte schickt mich nicht weg, liebste Mutter, ich will euch nicht verlassen.“
Das Trommeln von Pferdehufen war auf den Straßen zu hören. Ruggieri sprang auf, einer seiner Freunde trat ein und sagte: „Das sind die Wachen, die sich zu den Toren der Stadt begeben. Die Volksversammlung ist zu Ende.“
„Und was wurde beschlossen?“
„Niemand wagt sich in die Nähe, um es herauszufinden, aber nur Mut, mein edler Herr.“
„Das sagt Ihr mir, Ricciardo? Aber es ist richtig, meine Frau und mein Kind machen ein Weib aus mir.“
„Die Glocken läuten zum Avemaria“, erwiderte sein Freund, „bald kommt die Nacht und wenn Ihr mir vertraut, bringe ich Madonna Dianora in ein Versteck.“
„Vielen Dank, mein guter Ricciardo“, antwortete die Dame, „aber am sichersten bin ich an Ruggieris Seite. Aber unser Junge – rettet ihn und der Dank einer Mutter ist Euch gewiß. Alle Schätze, die ich geben kann, sollen Euch gehören. Kennt Ihr Valperga?“
„Ja, das Schloß Valperga – ist die Gräfin jetzt dort?“
„Ja – und sie ist unsere Freundin. Wenn mein Castruccio nur schon in den sicheren Mauern dieser Festung wäre, wäre ich glücklich!“
Während Madonna Dianora mit Ricciardo sprach, beratschlagte Ruggieri mit seinen Freunden. Das Tageslicht war erloschen, die Nacht brachte Gefahr und noch mehr Angst. Ruggieris Freunde saßen im Bankettsaal seines Palastes und sprachen über ihr weiteres Vorgehen. Sie flüsterten, weil sie fürchteten, sonst nicht zu hören, was auf der Straße vor sich ging, und sie lauschten auf jeden Schritt, als bestimme er ihr künftiges Schicksal. Ricciardo gesellte sich zu ihnen und Madonna Dianora blieb mit ihrem Sohn allein. Sie schwiegen, Dianora weinte und hielt die Hand ihres Kindes. Er versuchte sie zu trösten und die Tapferkeit zu zeigen, die sein Vater immer so pries. Aber seine kleine Brust hob und senkte sich trotzdem, dann liefen ihm dicke Tränen über die Wangen und er warf sich seiner Mutter in die Arme und schluchzte laut. In diesem Augenblick klopfte jemand laut an das Tor des Palastes. Die versammelten Ghibellinen schreckten auf, zogen ihre Schwerter und eilten zur Treppe. Sie standen totenstill da und horchten auf die Antworten, die der Fremde dem Wächter gab.
Ruggieri umarmte seine Frau – zum letzten Mal, wie er fürchtete. Sie weinte nicht, ihre Gedanken galten nur einer Sache, der Sicherheit ihres Kindes. „Wenn du entkommst“, rief sie, „ist Valperga deine Zuflucht. Du kennst den Weg, der dorthin führt.“
Zunächst antwortete der Junge nicht, dann schlang er ihr die Arme um den Hals und flüsterte: „Du, liebe Mutter, sollst ihn mir zeigen.“
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