1. Kapitel (7)

„Die Nacht ist bald zu Ende“, sagte Marco, „und Ihr müßt vor Sonnenaufgang aufbrechen. Werdet Ihr mich auch begleiten?“
„Nein“, sagte Ruggieri, „wir mögen Bettler sein, aber wir werden unseren Freunden nicht zur Last fallen. Dankt Eurem Herrn für die Güte, die er mir erwiesen hat. Ich überlasse es ihm, so viel von dem Rest meines Vermögens für mich zu retten, wie er kann. Wenn unsere Herrscher ihm wohlgesonnen sind, möge er seinen Einfluß dafür nutzen, die harmlosen Mauern dieses Palastes zu bewahren. Es ist das Heim meiner Vorväter und mein Erbe, ich habe hier als Junge gelebt und einmal hat Manfred die Halle mit seiner Anwesenheit beehrt. Mein Sohn wird vielleicht eines Tages zurückkehren und ich möchte nicht, daß er eine Ruine vorfindet. Wir können nicht in der Nähe von Lucca bleiben, sondern werden uns in eine Stadt zurückziehen, die zu unserer Partei hält, und dort auf bessere Tage warten.“
Dianora traf in aller Eile Vorbereitungen für die Abreise, die Pferde wurden zur Tür gebracht, und die Sterne verblaßten im Licht der Morgendämmerung, als die Kavalkade sich ihren Weg durch die hohen engen Straßen von Lucca bahnte. Man hielt sie am Tor nicht auf und Ruggieri fiel ein Stein vom Herzen, als er mit Frau und Kind die weite Landschaft erreicht hatte. Aber die Freude wurde gedämpft durch die Erinnerung daran, daß ihnen nur das Leben geblieben war. Armut und Zurückgezogenheit würden die grimmigen Wärterinnen ihrer letzten Jahre sein – und die strengen Lehrmeisterinnen des jungen hoffnungsvollen Castruccio.
Die Exilanten näherten sich langsam Florenz.
Florenz befand sich mitten in einem schrecklichen Bürgerkrieg. Die Ghibellinen hatten die Oberhand, aber kein Tag verging ohne Schlägereien und Blutvergießen. Unsere Exilanten trafen auf ihrem Weg viele Leute aus ihrer Stadt, die auch Zuflucht in einem anderen Staat suchten. Der kleine Castruccio erkannte viele seiner besten Freunde unter ihnen. Sein junges Herz war gerührt von ihren Tränen und Klagen, er geriet in Wut und Rachsucht überkam ihn. Szenen wie diese weckten den Geist der Parteiung, der in Italien so stark wurde. Kinder sahen, auch wenn sie noch zu jung waren, um Schande zu empfinden, den Kummer ihrer Eltern und schworen sich ewigen Haß auf ihre Verfolger. Das blieb ewig in Erinnerung, die Wunden heilten nie, das ständige Blutvergießen hielt den Groll am Leben, der Anlaß zu dem ersten Schlag gegeben hatte.

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