2. Kapitel (16)
Diese herrlichen Stunden vergingen wie im Flug und am nächsten Morgen würden sie Abschied nehmen. Dieser Gedanke ließ die Blicke und Gespräche ernster werden. Castruccio wurde nachdenklich und sah seine Freundin an wie einen Schatz, den er verlieren würde – vielleicht für immer. Euthanasia war schweigsam, sie schaute zu Boden und wechselte mehrmals die Farbe, ein Zeichen, daß ihr etwas durch den Kopf ging, das sie nicht in Worte fassen konnte. Zuletzt hob sie den Blick und sagte: „Wir verabschieden uns morgen, Castruccio, wie wir es zuvor schon getan haben – für viele Jahre, fürchte ich. Aber es gibt zwei Arten von Trennung. Eine, bei der die Zeit die Vergangenheit auslöscht, wie es beim Tod der Fall ist, dem Abschied, der endgültig ist. Aber es gibt noch eine. Wenn wir die Erinnerung an den Abwesenden wachhalten und für ihn handeln, als sei er bei uns. Das geht nur unter Freunden, wenn der eine weiß, daß der andere auch an ihn denkt. Sich an einen Freund zu erinnern, ist fast so, als würde man ihn vor sich sehen. Verabschieden wir uns auf diese Art. Wir sind noch sehr jung, wir wissen nicht, welches Unglück das Schicksal für uns bereithält, welche Verluste, welches Gerede oder sogar Unehre unsere Namen beflecken werden. Bei Rufmord müssen wir uns an die Freunde aus unserer Jugend wenden, denn nur sie können wissen, wie rein unser Herz ist, das sie in einer Zeit kannten, in der es noch keine Verstellung gab. Wenn es wahre Freunde sind, spenden sie uns Trost. Castruccio, ich weiß, daß du nie etwas tun wirst, das dich entehrt, und denke daran: Wenn du eine Freundin brauchst, die dir Trost und Mitgefühl gibt und dir hilft, soweit es in ihrer Macht steht, werde ich dir diese Freundin sein.“
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